In der Politik hat man es ständig mit Geschriebenen zu tun. Man ist einem Wust an Dokumenten ausgesetzt, ob auf dem Bildschirm oder ausgedruckt. Texte sind das Rohmaterial der politischen Arbeit. Und eben nicht nur die Zusammenfassungen. Auch die langen Berichte und Originale. Den Gesetzesentwurf muss jeder Politiker und jede Politikerin selbst lesen, bevor sie darüber entscheidet. Wenn sie es nicht tun, wer dann?

Das Unschöne ist, dass man es in der Politik nur selten mit gut und zügig geschriebenen Texten zu tun hat. Politik ist weit weg von Belletristik. Das Verwaltungsdeutsch ist ein eigener Jargon. Sein Ziel ist nicht Verständlichkeit, Klarheit und Stringenz. Die Verwaltungssprache ist geleitet von der Befürchtung, zu viel und zu Eindeutiges zu sagen oder Eventualitäten ausser Acht zu lassen.

Und oft gibt es den textblähenden Verwaltungspomp: Der Bericht zum Bau eines neuen Kinderspielplatzes enthält theoretische Erklärungen zu nicht aufsuchender Jugendarbeit, zieht einen weiten Bogen zur UN-Kinderrechtskonvention und begründet die Notwendigkeit für eine Schaukel mit Nachhaltigkeitszielen. Verwaltungstexte bemühen sich um eine Art von politischer Korrektheit, die viel weiter geht als die konsequente Verwendung von weiblicher und männlicher Form. Das mag alles nicht nur schlecht sein. Aber es macht Texte schwerer lesbar und versteckt die Essenz.

Mit dem Geschwurbel lernt man umzugehen und das Wichtige vom Nichtssagenden zu unterscheiden. Was ein Problem bleibt, sind unverständlich geschriebene Texte. Texte, die man einfach nicht versteht. Auch wenn man sie zweimal oder dreimal oder viermal liest. Und solche Texte gibt es immer wieder.

Ich habe mir mittlerweile eine einfache Regel zurechtgelegt: Wenn ich einen Text nicht verstehe, ist das ein schlecht formulierter Text. Punkt. Das klingt arrogant, ich weiss. Ist es nicht! Ich bin seit vielen Jahren täglich mit Massen von Textseiten konfrontiert und habe mir den Passivwortschatz eines Verwaltungslehrbuchs angeeignet. Wenn ich mich konzentriert auf einen Text einlasse, auch bereit bin, eine Passage zweimal zu lesen, und den Text immer noch nicht verstehe, dann hat der Text sein Ziel verfehlt. Das gilt natürlich nicht für Doktorarbeiten in Physik. Aber Texte, die auf eine politische Entscheidung hin geschrieben sind, sollte ein Politiker verstehen können. Sonst sind die Texte das Problem, nicht der Politiker.

Ich empfehle allen diese Haltung. Wenn du dir Mühe gibst und einen Text nicht verstehst, ist das ein Grund für Textzweifel, nicht für Selbstzweifel. Frage ungeniert nach. Solange und so hartnäckig, bist du verstehst, was der Text dir sagen wollte, aber nicht sagen konnte. Oder anders formuliert: Respekt vor der Sache verlangt manchmal Respektlosigkeit vor einem einschüchternden Text.