Als Politiker nehme ich anderen Menschen viel Zeit weg. Zum Beispiel halte ich oft Reden. Die Leute im Publikum sind mir dann meist wehrlos ausgeliefert. Sie könnten zwar schon davonlaufen. Aber in vielen Situationen wäre das sozial nicht adäquat.

Wenn ich eine Rede halte, trage ich Verantwortung für die Zeit der Anderen. Man kann diese Zeitverantwortung konkret berechnen: An einer Abschlussfeier halte ich eine zehnminütige Ansprache. Im Publikum sitzen 300 Menschen. Zehn Minuten multipliziert mit 300 ergeben 3 000 Minuten. Das sind ganze 50 Stunden Menschenzeit. Wenn ich eine richtig schlechte Rede halte, habe ich anderen insgesamt mehr als zwei Tage Langeweile oder gar Trübsinn beschert. Es ist heftig.

Man könnte beschwichtigend einwenden, dass die Gedanken der Menschen im Publikum ja frei sind. Niemand muss zuhören, alle können an etwas Schönes denken. Ja, das ist ein gewisser Trost. Aber ich will dennoch nicht, dass sich mein Publikum auf die körperliche Anwesenheit beschränkt. Wer an eine Abschlussfeier kommt und einer meiner Reden ausgesetzt ist, soll eine gute Zeit haben, auch ohne eskapistische Tagträume. Ich versuche deshalb, keine richtig schlechten Reden zu halten. Und wende dafür lieber einige meiner eigenen Stunden auf.

Allein mit Reden konsumiere ich jedes Jahr mehrere Wochen der Zeit anderer Menschen. Und Reden sind nur die Spitze des Eisbergs. Man denke nur an die vielen Sitzungen. Wenn ich eine Sitzung schludrig vorbereite, habe ich selbst vielleicht etwas Zeit gespart, aber das geht auf Kosten der Zeit anderer. Auch das will ich natürlich vermeiden. Allein, es gelingt nicht immer.

Es kommt vor, dass man schlecht vorbereitet ist auf eine Rede oder eine Sitzung.

Was dann? Wie kann man sich und die Zeit der Anderen retten? Ich habe einen allgemein gültigen guten Tipp für solche Situationen: Man kann anderen mehr Zeit lassen, indem man sich kurz fasst. Oder auch, wenn es die Umstände erlauben, einfach mal gar nichts sagt.

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