Wer ist sympathischer und glaubwürdiger: Ein Politiker, der viel von sich redet, der «ich will» sagt und «ich mache»? Oder ein Politiker, der sich nicht in den Vordergrund stellt und das «Wir» betont: «Wir sind für die Menschen da» oder auch «Yes, we can»?

Die Antwort ist nicht eindeutig. Auf den ersten Blick bevorzugt man wohl den Wir-Politiker. Man kennt übersteigerte Politikegos zur Genüge. Aber Achtung, hinter einem «wir» kann man sich auch verstecken. Es beginnt schon mit der Frage, aus wem sich das «wir» zusammensetzt. Sind das die Parteifreunde im Hintergrund, die dem unselbständigen Politiker alles einflüstern? Oder meint der Politiker mit «wir» allumfassend sozusagen alle Menschen und ist in der Tendenz grössenwahnsinnig? Oder sagt er zwar «wir», meint aber «ich» und zählt zur Gattung der besonders pompösen Egozentriker?

Vielleicht ist der Wir-Sager auch nur ein zurückhaltender, uneitler Mensch. Und das wäre ja gut so. Die Politik braucht Menschen, die der Sache verpflichtet sind, nicht ihrem Ego. Von George Bush senior ist überliefert, dass er im Wahlkampf grosse Mühe hatte, «ich» zu sagen statt «wir». Als er auf Druck seiner Berater mehr «Ichs» in seine Reden einbaute, soll ihn seine Mutter getadelt haben «George, du hast wieder nur von dir gesprochen».

Auch mein Temperament (und das vieler Schweizerinnen und Schweizer) neigt zum «Wir». Doch je länger ich im Politikbetrieb dabei bin, desto mehr schätze ich klare Ich-Ansagen. Wer «ich» sagt, bekennt sich zur Autorschaft und übernimmt Verantwortung. Ein ehrliches «Ich» ist nicht unbescheidener als ein majestätisches «Wir». Zum Beispiel in diesem Wahlkampfsatz, mit dem eine befreundete Politikerin Erfolg hatte: «Ich bin ein Teamplayer. Politische Ergebnisse erreicht man nie alleine, man braucht gute Leute, die zusammen auf ein Ziel hinarbeiten. Und diese guten Leute habe ich in meinem Team». Solche «Ichs» sind für meine Ohren selbstbewusst und bescheiden zugleich.

Nachtrag: Das Ich-Wir-Problem zeigt sich auch an den Universitäten. Professoren (Männer, allermeistens) richteten sich noch bis in jüngster Zeit mit «Wir sind der Auffassung» an ihre Studierenden. Angeblich ist dieser sogenannte akademische Plural nicht majestätisch (pluralis majestatis) gemeint, sondern ein Ausdruck von Bescheidenheit (pluralis modestiae). Ob das stimmt? Von einem Studenten gefragt, wen er meine, wenn er «wir» sage, antwortete ein Professor mit strenger Logik: «Wenn wir ‹wir› sagen, meinen wir uns.»

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