In der Politik wimmelt es von Juristinnen und Juristen. Vor zwei Wochen habe ich es mit ein paar Tipps für Nicht-Juristen versucht, die ganz sicher garantiert helfen. Aber was sollen die Juristen mit sich selbst anfangen? Sie haben es ja auch nicht nur einfach. Das ist ein kleiner Survival Guide für Juristinnen und Juristen in der Politik. Vier Grundsätze, mit denen du garantiert nicht besonders schlecht beraten bist:

         1.       Die meisten Menschen sind nicht auf juristische Belehrungen erpicht

Mir passiert es selten, dass ein Physiker oder eine Ingenieurin mich mit ihren Fachkenntnissen in einer politischen Diskussion überzeugen will. Juristen versuchen das ständig. Sie agieren in politischen Debatten – eben wie Juristen: Sie argumentieren rechtlich («das widerspricht Treu und Glauben, ist verfassungswidrig und eventualiter sicher nicht auf Verordnungsebene zu regeln»), sie halten Plädoyers, garniert mit allerhand Fremdwörtern, als wäre die politisch interessierte Öffentlichkeit ein Gericht. Das kommt selten gut. Mein Tipp: Versuche so zu sprechen, dass gar niemand merkt, dass du Jurist bist. Also normal zu sprechen.

2.      Der Unterhaltungswert von juristischen Wortgefechten ist eher gering

Mein hoch geschätzter Amtsvorgänger Kurt Jenny hat in seiner Abschiedsvorlesung «Als Jurist in der Politik» gesagt, dass juristische Wortgefechte «einen erheblichen Unterhaltungswert geniessen und dazu beitragen, jede Klarheit zu beseitigen». Das mit der Beseitigung der Klarheit stimmt sicher. Aber Unterhaltungswert? Juristinnen und Juristen neigen dazu, sich gegenseitig unterhaltsam zu finden. Ihr Sinn für Humor ist aber kaum allgemein verträglich («Ich frage mich, ob diese Argumentation grobfahrlässig ist oder schon vorsätzlich dumm» – ich finde so etwas lustig, aber ich bin auch Jurist). Grundsätzlich sind Juristen für den Rest der Welt nicht unbedingt witziger als zum Beispiel Zahnärzte oder Astrophysikerinnen. Beweis: The Big Bang Theory mit Juristen wäre nicht möglich und wenn Juristen lustig sein sollen, kommen so Sachen raus wie Suits). Deshalb mein Tipp: Versuche so zu sprechen, dass gar niemand merkt, dass du Juristin bist. Also normal zu sprechen (vgl. Ziffer 1).

3.      Inhaltliche Fragen sind immer wichtiger als Verfahrensfragen

Die Lust der Juristen am Formellen ist gross. Die Fragen rund um Fünf-Prozenthürden, Vertretungsregelungen in parlamentarischen Kommissionen und die Rolle des Anciennitätsprinzips als Gewohnheitsrecht sind nicht geradezu unwichtig. Aber es sind nicht die drängenden politischen Fragen. Mein Tipp: Überlasse die Diskussionen über Form und Verfahren den anderen Juristen und rede mehr über Inhalte. Und versuche dabei so zu sprechen, dass gar niemand merkt, dass du … (vgl. Ziffern 1 und 2).

4.      Eine Politikerin ist eine Politikerin, keine juristische Expertin

Manchmal sind Nicht-Juristen auch gemein zu Juristen. Gewiefte politische Köpfe werden versuchen, dich mit deiner Ausbildung zu übertölpeln. Bei einem solchen Angriff sagt dir zum Beispiel ein Psychologe oder eine Chemikerin mit anschwellender Empörung in der Stimme: «Aber Sie als Juristin können das doch nicht verantworten!» Das kannst du parieren «Als Juristin weiss ich, dass vieles möglich ist, wenn man Probleme kreativ angeht.» (Der Satz ist, zugegeben, etwas inhaltsleer, taugt aber als erste Angriffsabwehr). Lass dich in der Politik nie auf eine Rolle als Juristen reduzieren. Damit das funktioniert, ein Tipp: Sprich politisch, nicht juristisch. Und versuche dabei … (vgl. Ziffern 1, 2 und 3).