Die Frage kam immer wieder. Und wie alle «Warum-tust-du-was-du-tust-Fragen» brachte sie mich jedes Mal aus dem Konzept. Ich habe also getan, was viele Politiker tun: Mir eine PR-Antwort ausgedacht. Und ich habe recht dick aufgetragen. Meine Story handelte von Nelson Mandela und meinem Grossvater.

Mein Grossvater war Arzt und besuchte im Auftrag des IKRK Gefängnisse in Südafrika, auch Mandela und andere ANC-Gefangene auf Robben Island. Er war tief beeindruckt von Mandela, der seit 35 Jahren ein hartes Gefangenenleben ertrug und doch Hoffnung ausstrahlte. Davon erzählte er mir, wie nur er für mich erzählen konnte. Ich glühte als kleiner Junge voller Verehrung für Mandela, dessen Gesicht so viel Güte ausstrahlte, und für meinen Grossvater, der ihn besucht hatte. Mandela und mein Grossvater waren die Helden meiner Kindheit.

Ich habe die Geschichte oft erzählt, vor Wahlen in Interviews und mit grösstmöglichem Pathos in Bewerbungsschreiben für amerikanische Universitäten. Sie stimmt auch so. Aber sie war nicht der Grund, warum ich mit Politik angefangen habe. Vielleicht haben die Erzählungen meines Grossvaters mich früh zum Nachdenken angeregt über Gerechtigkeit, Unterdrückung, Menschenrechte und was der grossen Themen mehr sind. In die Politik geführt haben sich mich nicht. Mandelas Kampf hatte dann doch zu wenig mit meiner Lebenswelt zu tun.

Meine Motive waren unspektakulärer: Ich habe mich schon als Kind für Politik interessiert, zunächst nicht für die Inhalte, sondern auch für Wahlplakate und Wahldiagramme. Mit meinen Legosteinen baute ich keine Burgen, sondern steckte sie zu einfarbigen Balken zusammen und spielte Hochrechnung und Wahlresultat (ja ich weiss, das klingt beängstigend). Mit 17 Jahren fing ich bei den Jungliberalen an. Die waren für Europa, was mir damals besonders wichtig war. Und ich kannte dort Leute, fühlte mich willkommen. Die politischen Inhalte überzeugten, das Soziale vielleicht noch etwas mehr. So ging es anderen auch. Die ehrlichen Antworten auf die Frage «Warum hast du mit Politik angefangen?» gleichen sich durch die politischen Lager und sind unspektakulär. Junge Menschen in der Politik wollen durchaus etwas bewegen, aber der Spass, die Prägung durch die Familie oder die Faszination für Wahltage spielen bei fast allen eine ebenso grosse Rolle.

Doch alle, die länger dabei bleiben, haben inhaltliche Anliegen. Sie wollen etwas anders und hoffentlich besser machen als die etablierten Politiker. Sie brennen für etwas. Wer kein inneres Feuer hat, hört früher oder später wieder auf, weil die Verpackung der Politik ohne Inhalt auf Dauer doch nicht so spannend ist. Wenn du dich nur für die Mechanismen interessierst oder gerne so gut fotografiert werden willst wie Christian Lindner, wirst du die langen Durststrecken, während derer dich keiner fotografieren will, nicht durchstehen. Es gibt einige altgediente Politisierende, deren Feuer auf dem langen Fackelmarsch erloschen ist. Möglicherweise sind einige von ihnen gute Technokraten. Aber sind die zufrieden und können etwas Gutes bewirken? Ich bezweifle es. Wenn du Politik nur als Handwerk verstehst oder nur als eine mögliche Karriere, wirst du damit nicht glücklich. Die Frage «Warum machst Du (immer noch) Politik?» sollte jeder Politikerin und jeder Politiker beantworten können. Ich beantworte sie gerne (und gerne öffentlich in einem der nächsten Blog-Beiträge).